Fragestellung aus Mathematischer Biologie gelöst

Arbeit The full Keller-Segel model is well-posed on nonsmooth domains von Dirk Horstmann (Universität zu Köln), Hannes Meinlschmidt (Johann-Radon-Institut Linz) und Joachim Rehberg (WIAS Berlin) veröffentlicht in Nonlinearity.

Das Keller-Segel-Modell beschreibt die Wechselwirkung von Bakterien und sie umgebender chemischer Agenzien. Es wurde 1970 in einer viel beachteten Arbeit dieser beider Autoren veröffentlicht und dürfte derzeit eines der am meisten analysierten Modelle in der Mathematischen Biologie sein. Die Arbeit ist vielhundertmal zitiert und Ausgangspunkt vielfältigster analytischer und numerischer Untersuchungen. Das Modell hat Relevanz bis hinein in klinische Phänomene. Das (volle) Keller-Segel-Modell besteht aus vier miteinander stark gekoppelten Differentialgleichungen, von denen jede (in einem wohlverstandenen Sinne) parabolisch ist, wobei das gesamte System nicht notwendig parabolisch ist. Diese Gleichungen werden über einem vorgeschriebenen räumlichen (oder planaren) Gebiet betrachtet, also z.B. der Petri-Schale, in dem sich die Bakterienkultur befindet. Meist betrachtet man das System als von der Außenwelt isoliert.

Für Gebiete, deren Geometrie 'glatt', d.h. z.B. rund oder ellipsoid, ist, weiß man seit Langem, dass zu gegebenen Anfangswerten für die Unbekannten, also Bakteriendichte und chemische Agenzien, eine Lösung für ein zumindest kurzes Zeitintervall existiert, welche zudem eindeutig ist. In der Praxis kann man im Allgemeinen aber keineswegs davon ausgehen, dass das betrachtete Gebiet nicht auch Ecken, Kanten oder andere geometrische Singularitäten aufweist. Gerade für solche Fälle zeigen sowohl theoretische Erkenntnisse wie auch numerische Experimente, dass man häufig gerade an derartigen geometrisch singulären Stellen besondere Effekte, wie z.B. außergewöhnlich starke Konzentrationen, zu erwarten hat. Insofern ist das Problem der Wohlgestelltheit für das System auch und gerade für nicht-glatte Gebiete relevant. Es gelang den drei Autoren nun erstmals zu beweisen, dass das Keller-Segel-Modell auch für eine sehr große Klasse nichtglatter Geometrien, welche z.B. beliebige zwei- und drei-dimensionale polyedrische Gebiete einschließt, eine Lösung hat.

Die Arbeit ist erschienen in Nonlinearity:
D. Horstmann, H. Meinlschmidt und J. Rehberg: The full Keller-Segel model is well-posed on nonsmooth domains. Nonlinearity (2018).