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Mikro-Makro-Übergänge und Skalierungen Mikro-Makro-Übergänge

Bearbeiter: W. Dreyer , M. Kunik  

Beschreibung der Forschungsarbeit: Sowohl in den industrierelevanten Projekten über Phasenübergänge   als auch in den neu von Dreyer und Kunik entwickelten kinetischen Lösungen  von Anfangs-Randwertproblemen hyperbolischer Systeme  hat sich das Studium verschiedener Skalierungen von Zeit und Raum als derart bedeutsam erwiesen, dass sich hierfür mittlerweile ein eigenes Projekt herausgebildet hat.

Selbst bei ganz unterschiedlichen Mikro-Makro-Übergängen  spielt das Skalenverhalten  der resultierenden Makrosysteme bzgl. der Zeit- und Ortsvariablen und anderer physikalischer Größen eine zentrale Rolle. Wir erläutern dies an zwei Arten von Mikro-Makro-Übergängen für Riemann'sche Anfangswertprobleme . In einem Beispiel ist die Mikroebene durch die Newton'sche Mechanik des Vielteilchensystems eines eindimensionalen atomaren Festkörpers beschrieben und im anderen Fall durch die von Dreyer und Kunik in [1], [2] entwickelte kinetische Lösung der gasdynamischen Eulergleichungen  auf Zeitintervallen, die der mittleren Dauer des freien Fluges der Gasatome entsprechen. In beiden Fällen resultieren makroskopische Systeme aus Erhaltungsgleichungen, in denen nur noch die Massendichte $\rho $, die mittlere Geschwindigkeit v und die Temperatur T als Feldgrößen auftreten. Für die atomare Kette erhalten wir für bestimmte Anfangsdaten hyperbolische Gleichungssysteme, die reine Wellenausbreitungen wie in Dreyer/Kunik [3] beschreiben, bzw. für das kinetische Euler-Schema ein parabolisches Gleichungssystem zur Beschreibung der Wärmeleitung im Gas.

a) Wir betrachten zunächst einen eindimensionalen Festkörper, der aus einer Kette von Atomen aufgebaut ist. Die Atome mit Orten $x^{\alpha }(t)$ und Geschwindigkeiten $\dot{x}^{\alpha }(t),$ $\alpha =1,2,...,N$, genügen den Newton'schen Bewegungsgleichungen  
 \begin{displaymath}
m\ddot{x}^{\alpha }(t)=-\sum\limits_{\beta \neq \alpha }^{N}...
 ...ert x^{\beta }-x^{\alpha }\vert\right) }{\partial x^{\alpha }},\end{displaymath} (3)
wo m die Masse eines Atoms ist und $\varphi \left( \vert x^{\beta }-x^{\alpha 
}\vert\right) $ das Potential bezeichnet, das zwischen den Atomen $\beta $ und $\alpha$ besteht. In [3] wurden makroskopische Riemann'sche Anfangsdaten für $\rho $, v und T vorgegeben und deren mikroskopische Präparation für die Newton'schen Gleichungen beschrieben, die die Anfangspositionen und Geschwindigkeiten aller Atome in der Kette liefern, welche die Newtongleichungen verlangen.

Aus den Newton'schen Gleichungen wurden in [3] mit Hilfe einer allgemeinen Fensterfunktion  in Zeit und Ort die folgenden allgemeinen Erhaltungsgleichungen gewonnen, in denen sich alle auftretenden thermodynamischen Makrogrößen wie $\rho $, v, Druck p, innere spezifische Energie u und der Wärmefluss q in eindeutiger Weise durch Mittelwerte aus den Teilchentrajektorien im Träger der Fensterfunktion darstellen lassen:

  \begin{eqnarray}
&&\frac{\partial \rho }{\partial t}+\frac{\partial \rho v}{\par...
 ... \frac{1}{2}v^{2}+u+\frac{ p}{\rho }\right) v+q\right) =0. \notag \end{eqnarray}

Im Grenzfall unendlich großer Teilchenzahl $N \to \infty$ zeigt sich dann eine entsprechende Riemannlösung, die invariant bzgl. der folgenden Skalentransformation  ist:  
 \begin{displaymath}
t = \lambda \, {\bar t}, ~ x = \lambda \, {\bar x}. \end{displaymath} (4)
Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass sich diese Invarianz dann einstellt, wenn man $\lambda$ proportional zur Teilchenzahl N wählt.

Es wurde in [3] als Folge dieser Skaleninvarianz gezeigt, dass dann nur lokale Gleichgewichtszustände in der Kette auftreten. Diese werden durch orts- und zeitabhängige Verteilungen der Zufallsvariablen $(r_{\alpha },c_{\alpha })$ beschrieben, wobei $c_{\alpha }$ die Geschwindigkeit des Atoms $\alpha$ ist und $r_{\alpha }$ sein Abstand vom rechten Nachbaratom. Je nach Art der Mikrobewegung ergeben sich dann unterschiedliche Abschlussbedingungen, die u, p und q als analytische Ausdrücke von $\rho $ und T liefern. Mit Hilfe dieser Abschlussbedingungen konnten drei hyperbolische Feldgleichungssysteme aus (2) explizit gewonnen werden, die zu qualitativ ganz unterschiedlichen Gleichgewichtszuständen gehören und auch auf unterschiedliche analytische Beziehungen für die spezifische Entropie führen.

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass gewisse Anfangsdaten zu Riemannlösungen  führen, die sich nicht mit einer einzigen Art von Mikrobewegung beschreiben lassen und damit auch nicht auf ein hyperbolisches System für die Variablen $\rho ,v$ und T führen.

b) Zuvor hatten wir Mikro-Makro-Übergänge  behandelt, die auf hyperbolische Systeme  und reine Wellenausbreitungsphänomene führen. Im zweiten Beispiel betrachten wir reine Wärmeleitung für das in [1] und [2] behandelte kinetische Euler-Schema, wobei die Riemann'schen Anfangsdaten eine Kontaktunstetigkeit bilden sollen, d. h. die Druckdifferenz und die Geschwindigkeit ist zu Anfang auf beiden Seiten null. Dadurch ist sichergestellt, dass auf der großen Zeit-Orts-Skala keine Wellen entstehen. Die Diffusion entsteht hier aufgrund der Vorgabe einer freien Flugzeit $\tau_M = \tau_R \gt 0$ der Gasatome und steht im Gegensatz zu dem in [1], [2] behandelten Euler'schen Grenzfall $\tau_M \to 0$, der weder Diffusion noch Wärmeleitung beschreiben kann.

Wir sehen hier einen endlichen Zeitstreifen der Länge $\tau_R \gt 
0 $ als mikroskopischen Bereich an und lassen anstelle der Anzahl der Atome N im Falle der Kette die Anzahl n der Zeitschritte mit Länge $\tau_R \gt 
0 $ gegen $\infty$ gehen. Wählt man dann einen Skalenparameter $\lambda$ proportional zu $\sqrt{n}$, so erhält man eine asymptotische Grenzlösung, die invariant bzgl. der folgenden Skalentransformation ist:  
 \begin{displaymath}
t = \lambda^2 \, {\bar t}, ~ x = \lambda \, {\bar x}. \end{displaymath} (5)
Bei der Beschränkung auf räumlich eindimensionale Lösungen, die aber kinetisch gesehen dreidimensional im Geschwindigkeitsraum der Gasatome sind, erhält man dann für die asymptotische Lösung $({\bar \rho}, {\bar T})$ die folgenden Resultate:

(a)
Der Druck $p={\bar{\rho}}{\bar{T}}$ bleibt in Zeit und Ort konstant, obwohl dies zunächst nur für die Anfangsdaten vorausgesetzt worden ist.
(b)
$\beta =1/{\bar{T}}$ hängt nur von ${\bar{x}}/\sqrt{{\bar{t}}}$ ab und genügt der nichtlinearen Diffusionsgleichung  
\begin{displaymath}
\frac{\partial \beta }{\partial {\bar{t}}}=\frac{\tau _{R}}{...
 ...tial ^{2}}{\partial {\bar{x}}^{2}}\left( \ln \beta \right) \,. \end{displaymath} (6)

(c)
Es lässt sich ein skaliertes Geschwindigkeitsfeld ${\bar{v}}({\bar{t}},{\bar{x}})=\lim\limits_{n\rightarrow \infty }\sqrt{n}\,v(n{\bar{t}},\sqrt{n}{\bar{x}})$ einführen, dass der Beziehung ${\bar{v}}=\frac{\tau _{R}}{2}\,\frac{\partial {\bar{T}}}{\partial {\bar{x}}}$ genügt sowie die folgende Impulsbilanz erfüllt:
\begin{displaymath}
\frac{\partial ({\bar{\rho}}{\bar{v}})}{\partial {\bar{t}}}+...
 ...ar p}\frac{\partial {\bar{v}}}{\partial {\bar{x}}}\right) =0\,.\end{displaymath} (7)

Wir schließen, dass das Euler-Schema mit $\tau_M = \tau_R \gt 0$ auch die Lösung für ein gekoppeltes System vom Typ Navier-Stokes-Fourier liefert.

Projektliteratur:

  1.   W. DREYER, M. KUNIK, The maximum entropy principle revisited , Contin. Mech. Thermodyn., 10 (1998), No. 6, pp. 331-347.
  2.   \dito 
, Reflections of Eulerian shock waves at moving adiabatic boundaries , Monte Carlo Methods and Applications, 4 (1998), pp. 231-252.
  3.   \dito 
, Cold, thermal and oscillator closure of the atomic chain , WIAS-Preprint No. 489, 1999, erscheint in: J. Phys. A.


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